Rheinthalische Criminalacten
Rheinthalische Criminalacten.
Ammann Hansen Dietschi v. Oberriet Proceß a 1655.
Den 16 Jan. a 1655
Ist A[mmann] Hanß Dietschi us d. Oberriet wegen schwab. seiner verüebten
rev. Huereÿen in Verhafft genommen & güetlich examiniert worden
& bekennt erstlichen, daß Dorothea Fürerin, Melchior Furers Tochter
von dem Wilden Hus us d. Grafsch. Tockenburg vergangenen Herbst
in s. Haus kommen, der sie angestellt, daß sie ihme 14 Tage flicken
solle. Als sie nur e. Tag bei ihme gekonnen & in s. Haus über
Nacht geblieben, seie er A. Hans Morges früe in d. Stuben
im bloßen Hembt ohnbekleidet zu ihro kommen, habe sie ihne
gleich angefallen, (er) jedoch nichts würkliches mit ihro verricht
Hierauf wird er ferners güetlich examiniert & ihmo
zue Gemüeth geführt, warumb er dann ihro bei zweien
Posten Gelt geschenkt?
Darauf sagt er, er müße bekennen, daß er zwar uf ihr
gelegen & allerhand Mittel, so zur Huerei dienstlich, ge=
braucht, doch nichts mannliches mögen verrichte, dann
er kein Mann wär. Item habe er sie auch am Morgen
stark angetastet, aber nichts würkliches in der That
verrichten können, weilen sie sich mit darzue versthon
wollen. Danen überschickten Schreibens, so gemelte Furerin
ihmo überschickt & von ihme Gelt begehrt, bekennet er wahr
zu seÿe & der erste ihmo an St Niclaus Markt zukommen
seie & habe er beiselbigem Posten ein Silbercronen ge=
schickt, aber nit darumb, daß er sich mit ihro verfehlt,
soeder nur darumb, daß das gemeine Gassengeschreÿ
abgestellt werde ect. (das andere Mal 5 fl. aus gleichem Grunde)
Item hab gemelte Fürerin ihme us d. Land Appenzell
2 Poten [Boten] gleich nach einander zugeschickt & abermalen Gelt
begehren lassen, habe aber ihr kein Gelt mehr zuschicken
wollen, sonder ihr entboten, sie solle wol für sich schon, daß
2.
ihr nit auch beschehe, wie jener Hurren, welche ihme auch solcher
Gestalt geblaget & darauf zu Liechtensteig hingericht worden.
Hieraufe wird er befragt, ob er sich sonst mit keiner
also verfehlst & dergestalt mit ihr unzüchtig umbgangen,
seie Bericht umkommen, daß er eine Spinnerin von Österreich
unterthanen, welche n. alten Eheman habe, etl. Stund war
gange. Herbst in d. Keller gespert & zu ihr us & ingangen
Hierauf er geantw., sie seie ein frombs ehrliches
Weib, sie gabe ihm Garn zugebracht & er ihr e. Trunk
im Keller gegeben, habe nichts unehrlichs verüebt, noch
mit ihr begehrt zu verrichten, sitemahlen sie als ein
ehrl. Weib dergl. von ihme nit angenommen.
Sonsten bekennt er unter H. Landvogts Böglinger
Regierung habe er mit Anna Stigerin [16110] sel. Hans Gächter [16109]
sel. Eheweib gewesen, u. Ehebruch begangen, welcher ihm
schier für e. Sachzwang habe wollen ausgedeutet wurde.
Jedoch seie er von gemeltem Landvogt & Junker Vogt
Ruckhen [Hans Kaspar Rugg von Tanegg] sel. darumb abgestraft worden.
Item unter H. Landv. Steiners Regier. habe er
aberm. e. Ehebruch m. A. Maria Valkhin [Falk] gegangen
darumb er v. gemelt. Landv. & jetz. Jkr Vogt uf Blatten
abgestraft u. weiters habe er sich niemalen nit
keiner Weibsperson verfahren, noch die Ehe gebrochen
Dieweil dann s. entschuld. & gegeb. Bekannte. Dem
inkommenden Bericht ganz zuwider & die Fürerin sich
in d. Nachbarsch. im Land Appenzell d. inn. Roden ufgehalt
als hat man bei selb. Oberkeit um d. Nachb. Stellung
angehalten, worauf dann gemelte Fürerin nachparlig
uns angeschickt w., welche d. 27 Jan. güetlich examiniert
usgefragt wie hernach folgt.
Ihre Erzählung, voll der insamsten Einzelheiten über ihren
unzücht. Verkehr mit Ammann Dietschi, wich in manchen von
3.
der seinigen weit ab & enthielt eine ganz abscheuliche Verführungs
geschichte, worin der Angeklagte als ein ganz viehischer uner-
sättlicher Hurer zum Vorschein kam. So sagte sie u. A. ire habe
die ganze Zeit (Nacht & Morgens) als er bei ihr gewesen ... dergl.
Leichtfertigkeiten mit ihr verübt, daß sie niemahls von einigem
Mann verfahren, desgl. sie mit ihme auch verüben müssen us
s. Geheiß, daß sie sooft dergl. niemahlen gethan; sie habe
genzlich vermeint, der Teufel sei bei ihr, dann sie dergl. von
k. Mann erfahren, deßenwegen sie sich etl. Mal gesaget. Er
Ammann Hans ... etl. Mal bei ihr angehalten, sie solle ein Tag
14 bei ihme verbleiben, er wolle sie in e. Bethaus thun. ...
sie aber geantw., sie wolt nit 20 fl nemen & mehr e. Nacht
bei ihm seÿe als vergangen Nacht. - Folgte e. ausführl. Bericht
u. ihre Botschaften an Dietschi um Geld & die endl. Ausgleichung durch
s. Söhne & den H. Frühmeßer v. Montlingen, welche Fürerin
mittelst neuen beten endlich zur Unterschrift einer den Ammann ent=
schlagenden Erklärung brachten.
Dietschi, mit der Darstellung der Fürerin bekannt gemacht,
ließ dieselbe excepta seminis immissione gelten. Hinsichtl. der
anderen Spinnerin, die Füeglerin genannt ab Rinberg [Rainberg] nächst bei
Rankwil, gab er zu, daß er sie für 2 Stunden im Keller gehabt &
sich an sie gemacht habe, leugnete aber weiters, weil sie ihn
von sich gestoßen.
Weiter verhört, ob er mit den vielen schönen jungen Mägden
so er gehabt habe, nicht auch in Fehler gerathen sei, wie allbereits
etwas Berichts eingekommen, versichert er, sich nie mit einer
Magd vergangen zu haben, weil er von dergl. jungen Leuten
befürchtet hätte, sie stellten ihn ein Junges zu neuem Kram vor die Thüre.
Den 28 Jan. abermals gütl. Verhör, um wo möglich die
Widerspuchs zu haben. Dietschi beharrte aber fürsichtlich 6 Punct,
daß die Fürerin ihn damit zuweil & Unecht thun & anerbot
sich, daß er "deßetwegen mit ihr die Tortur wolle, hoffend
gemelte 6 Punkte zu erhalten, desgl. sie auch dorthin müße.
4.
Die Fürer erklärte ihrerseit, sie wolle auf die Wahrheit ihrer ganzen Aus-
sagen sterben & beharrte insbes. auch auf der immißio, wofür
sie einen schwer widerlegb., hier aber anstandshalber nicht anführbaren
Grund vorbrachte.
Dieweil - fährt die species facti nun fort - von A. Hans Dietschi
der Feürerin vorbesche. 6 Puncten nit gestendig, vil wenigers
daß er mit d. Spinnerin, die Füegleri gen. ... etwas Unrechts
gethan habe, ganz nit gestendig seÿn will & sich berüembt und
Tortur zu erhalten, daß er unschuldig seie, als hat man die-
weilen Bericht einkommen, daß er sonsten mit etlichen die Ehe ge-
brochen & großer Argwohn obhanden gewesen, ihne an die
Tortur geschlagen, ein wenig leer ufzogen, welcher gleich
begehrt, daß man ihne solle wider herablaßen, er wolle
sonsten die Wahrheit sagen, so angehedts beschechen, hierauf
er bekennt, daß der Dorothea Fürerin Aussag & bekannte.
in allem ganz wahr seie ... die Spinnerin ab Rinberg habe
er über 2 Stund im Keller gehabt ... & ... mit ihro iwilligen
Ehebruch begangen, so will ihme möglich gewesen ...
Den 29sten diß wirt A. Hans abermahls güetlich examiniert
& bekennt, dass er ungefahr vor 2 Jahren mit Anna Enißin [31262], Jac.
Matlis [31261] Eheweib ein Mahl die Ehe gebrochen ... habe.
Hierauf wird Anna Enißin auch güetlich examiniert die be=
kennt, daß leider des A. Hansen Aussag wahr sei. Sie wollte
indeßen das fragl. Mal von ihm gewalttätiger Weise dazu
gebracht w. seÿe, aber sich jederzeit so lang sie könne gewehrt,
letzlich müßen s. Willen pflegen ... dann fährt sie fort: Ammann Hans
habe sie zwei underschiedlich mal angetastet & mit ihr die Ehe
brechen wollen, das erste Mal seie sie ihm entrunnen, das
ander Mal aber er sie mit solchem Gewalt abgriffen, daß
er allbereit etc; jedoch sie ihme so weit entrunnen, daß er das
Werk nit völlig verrichtet ... daraufhin gesagt, sie wolle solches
dem Jr Vogt anzeigen, darauf er geantw., er wolle es nicht
bestehe, sonder sich ehender verstrecken laßen wie ein Zwirnsfaden.
A. Hans bekennt ihr Auslag wahr zu seÿn, allein will er nit
5.
gestehn, daß sie sich das erst Mal so stark gewehrt, die ander beide Mal
habe sie sich starker gewehrt.
Nachdem wir den Ammann Dietschi im verhergehenden stattsam
in s. unbänd. Sinnlichkeit & Freihheit kennen gelernt haben, können
wir den Rest seiner derartigen Thaten, welche er nunmehr gütlich
an den Tag legte, kurz zusammenfaßen. - Im gleichen Verhör
noch gestand er einen, nur durch s. Trunkenheit vereitelten, un-
zücht. Angriff auf Maria Stieger v. Kriessern; ferner zweimaligen
vollendeten Ehebruch mit Katharina Zigerlin sel. Ammann Brosi Wüesten
gewes. Ehefrau (: sagt auch, dise beide Ehebrüch habendt gemelte Zigerlin
so hart angefochten, daß er sie nit mehr lustig, sonder mehrtheils wei=
nend gesechen, vermeine genzlich, sie seie darauf so bald (2 Monate
nach d. letzten) gestorben & ihr Tod gewesen :); ferner e. Ehebruchsver-
such mit Eva Schmidin v. Schlins gen. Harzbletz, durch dazwischenkunft
v. Dritten vereitelt.
Dem 30sten diß wird A. Hans abermahl güetlich examiniert &
bekennt: n. vollendeten Ehebruch mit Öschlis Gret v. Balgach, einen solchen
mit Katharina Benz, die er damit hiezu vermocht, daß er ihr drohte
wenn sie nicht einwillige, aller Orten zu offenbaren, wie er sie mit
Moritz Schachtler Unzucht verüben gesehen habe; drittens e. voll.
Ehebruch mit e. Bötin, welche ihm die Ürte nicht hatte zahlen können,
viertens e. solchen in der Krone zu St Gallen nit einer Gaßenschreierin,
fünftens ebenso mit e. Magd, welche vom H. Vogt v. Egloff zu ihm geschickt
w. war, sechstens mit e. Weib, welches er auf s. Badenfahrt beim
Goßauer Wein waschen gesehen habe (: sie ihme entgegengeloffen
& n. Almosen begehrt, darbei gefragt, ob er was mangle, worauf
er abgestiegen ... & mit ihr die Ehe gebrochen; siebenstens dreimal
Ehebruch m. Georg Lüchingers Frau [16095], Greta Duxin [16096], achtens sechsmal
Ehebruch m. Ammann Ulrich Lüchingers sel. Ehefrau, Anna Kobler. Diese
darüber ebenfalls z. Red gestellt, betheuerte aber: sie sei von ihme
solcher Gestalt angerennt w., daß sie s. Willenpflegen müßen & wann
sie ihme willfahrt hette, so wäre es gar vil mehr mahl beschehen
als es aber beschehen sei.
Den 1. Febr. 1655 ist A. Hans Dietschi s. Bekanntn., was er vom 26
bis uf den 30 Jan. güetlich & in d. Strenge bekannt hat, vorgelesen
worden, der bekennt, daß alles, was ihme vorgelesen w., wahr seie.
Darauf er weiter güetlich examiniert w. & bekannt, daß er mit d.
Eva Schmidin gen. Harzblez ... das Werk völlig verrichtet habe.
6.
Dise Eva Schmidin hab disen Ehebruch under H. Landvogt Zweifels Regierung
an der Tortur erhalten, nichts desto minder hat er, Ammann Hans, so
stark geleugnet & solchergestalt sich mit den seinigen widersetzt,
daß entlich durch Zusprachen der Schmidin Mueter gemelte Schmidin
den A. Hansen wider ihr Gwüßen mit schworenem Eide entschlegen
& widerruffen müßen!
Item vor ungefahr 25 Jahren seie e. Kremerin in s. Haus kommen,
... mit welcher er uff der Stegen die Ehe gebrochen & d. Ehebruch
völlig verricht. - Ebenso vor 2 Jahren mit einer von Meininegn, so
anjetzo sich gen Gisingen verheirathet. Zweimahl. Versuch.
Dato ist er peinlich examiniert & leer uffzogen worden, dar=
uff er bekennt erstens einen Ehebruch & e. Versuch dazu mit e. Bötin Fräuwl.
gen. Lena Anderli, Hans Spiegels Ehefrau, zweitens mit e. Hure zu Baden,
die sich ihm angetragen, drittens mit Anna Maÿer, Ulrich Hutters Ehe-
frau, viertens an d. Hochzeiz s. Sohnes Joseph mit e. Weibsbild, die Zür=
cherin ge., fünftens mit e. Bettelfrau aus d. Au, Andreas Beschlis
Ehefrau.
Am 5then Febr. etwas peinlich examinirt, fängt er allenvorgen
noch bei e. Ehebruch mit e. fremden Magd, die mit Gastfreunden
in s. Haus gekommen war & gestand sodann noch folg. andersrtige
Verbrechen, die wir ausführlich mitzutheilen haben, theils um des
Verständnißes, theils um der Kennzeichnung Dietschis willen.
Als Hans Ender sel. gen. Witwenhans zu Kobelwies gestorben,
haben d. Amptleüth v. Altstetten ein Ganthgericht angestelt bei
welchem er nemst s. rechtmäß Prätention 50 fl in e. abgelösten
Brief darmit eingelegt, soal umb s. Prätens. & umb gemelte ungül=
tige & abgelöste 50 fl. mit Güeter bezahlt worden.
Ferner, daß unter Regier. H. Landv. Böglingers er, A. Hans,
etliches Weiber halber seie anklagt w. & Diepolt Khönis [16146] solle
solches uf d. Ban gebracht haben, habe er sich bei gemelt. Böglinger
so weit entschutten [entschulten] können & ihme nit allein ledig erkannt, sonder
ihme uff Versprechen, gemeltem Böglinger ein Summa Gelts zu leihen,
dessentwegen Brieff & Sigel hinderrucks gemeltes Khönißen frechlich
zugestellt, in welchem Briefe begriffen, daß gem. Khönis ihme Gwalt
& Unrecht gethan & alles in s. neidhäß. Busen nemmen müßen, dar=
beÿ angehenckt, daß er gewestem Vogt uff Platten, Jkr Ruggen sel.
7.
in Eidesstatt anloben müeßen, wann er in dergl. neidhäß. Sachen mehr
ergriffen würde, er alsdann Leib, Ehr & Guth & Blueth würcklich
verfallen haben solle; dass in disem Brieff mehrern Weiber er=
namset w., mit welchen er anitzo bekannt, würcklich d. Ehe ge=
brochen habe & diser Brieff faltsch & hinderrucks gemelts Khönißen
uffgerichtet, auch er Khöniß deßetw. niemahlen gen. Jkr Ruggen sel.
kein Eÿdtstatt angelobt.
Under Regier. H. Landv. Fehren seie er, A. Hanß, mit deg.
Khönißen in Zerwürfn. kommen, habe er ihme, Khönis, gemelten
Brieff fürgelegt, er, Khönis, aber solchen stark verleugnet &
vermelt, der Brieff seie falsch, hinderrugs seiner, uffericht w., wüße
nichts daumb; A. Hanß aber vermelt, ged Brieff seie ihme z. Alt=
stetten vor der Seßion guth erkennt w. & d. Khönißen sofort an=
klagt, daß er ihme diesen Brieff falsch ußgeruffen & verleügnet, daß
er, Khönis, endtlich deßentw. in die bürgerl. Gefangensch. erkennt &
gesetzt w.
Den 6then Febr. wirt A. Hanß abermahl güethlich examiniert,
der bekennt weiter, daß er Ried Jacklin z. Kobelwies n. Schabingen [bei Eichberg, heute Huberberg]
Hofstatt geben & ungefahr s. 60 fl sich mit ihme verglichen, welche
Hofstatt aber nur halb ihme & halb gemeinern Hofleüthen gehört,
also die gem. 30 fl. gen. Hofl. abgenommen & hinderhalten, auch bis
anhero ihnen nichts dargegen erstattet.
Folgt e. unbefugte Einzaünung v. Gemeindegut & das Geltendmachen
siner erlosch. Forderung bei e. Erbtheilung, die Unbervortheilung eines
Mündels ugdrgl. mehr.
Die dem Hochgerichte vorgelegte, von Ammann Dietschi unterschieb.
Urguht [?] führt alle diese Betrugshandlungen mit den gl. Worten
ausführlich auf & faßt die Unzuchtsverbrechen also zusammen,
der Angeklagte habe bekannt, mit 10 underschiedlichen Eheweibern
(wovon eine aus Gram bald darauf gestorben sei) und mit s.h. Huren,
Witwen & Mädgen sich verfehlt & die Ehe gebrochen zu haben. Unter
den letzten fallen wird der der Eva Schmid noch besonders hervorgehoben
da Dietschi diese Person durch s. hartnäck. Verleugnen der - ihm
wohlbewußten - Wahrheit ihrer Aussage an d. Tortur & zuletzt
zu einem falschen Eid bebracht.
8.
Das Protocoll über den Rechtsspruch & den Ausgang dieses Handels
verdient wörtlich mitgetheilt zu werden.
Den 8. Februarii Ao 1655 ist auff dem neuen Rathhaus in dem
Oberriedt durch H. Sebast. Muheimb [Johann Sebastian Muheim], des Raths zu Urÿ, Landvogt
in d. Rheinthal, ein unparteiisch Malefizgericht in Gegenwart
Herren Hans Sutters, Altlandammann & Pannerherren der Inner=
Herren Hans Jac. Rechsteiners, Landamm. & auß. Roden des Lands
Appenzell, Junker Christo. Wilh. von Schwarzach, Vogts aud Blatten,
Paul Alfons i Tanners, Landschreibers & mammer, Franz Müllers
Rathschreibers im fürstl. Gottsh. St Gallen gehalten worden & wolgade
Richter selbigem beigewohnt
von Altstetten
Joß Gegenschatz, Statth. & Joß Ritter, beide Stattamman.
Rheineckh
Jacob Berlocher & Wilh. Mesmer, beide Stattamman.
Bernang
Amman Hans Federer, Hoffamman & Nicl. Dierauer, Hoffschreiber.
St Margarethen.
Ammann Mathias Hasler & Amptm. Ulr. Itensohn.
Marbach.
Ammann Jacob Keel & Amman Jac. Welter.
Thal.
Amman Bartli Dietzin, an s. Statt Amptm. Lucas Kobelt.
Amman Ulr. Metzler & Amman Galli Benz.
Alß man zue Gericht geseßen, sindt die Gesandten beider
Stätten Waldkirch & Bludenz, auch des Huebampt des hochlöbl.
Hauses Osterreich vor gemeltem Gericht erschienen & einstendig
gebetten, daß man d. Fründtschafft verschonen & wo immer möglich
ihne, Ammann Hansen, bÿ dem Leben zu laßen & mit Hochgericht
zu verschonen; man wölle verhoffen, daß er sich in d. Landt
nit mehr sehen werde laßen.
Auff starckes Intervendieren beider Stätten, auch des Huebampts
Johann Sebastian Muheim
geboren 1611 in Erstfeld, gestorben 1694 in Erstfeld, katholisch, Landmann von Uri. Sohn des Jakob, Landvogts und Hauptmanns in königl.-französischen Diensten, und der Katharina Giudice. 8 Maria Barbara Muther, Tochter des Johann Jakob. Gutsbesitzer im Taubach in Erstfeld. Johann Sebastian Muheim kaufte von Landammann Johann Peregrin von Beroldingen eine Kompanie in königl.-spanischen Diensten. 1654-56 war er Landvogt im Rheintal, 1658-93 Tagsatzungsgesandter, 1673-79 Urner Landesstatthalter sowie 1679-81 Landammann. Johann Sebastian Muheim setzte sich dafür ein, das Salzmonopol der Urner Regierung zu festigen. Er starb als letzter Vertreter der Erstfelder Linie.
9. Rheintal. Criminalacten.
Ammann Dietschi. II.
sind (: doch dem Reichshoff allhie habenden rechten ohne nachtheil :) zue
dem armen Maleficanten geschickt worden, zu erkundigen,
ob er seiner Vergicht annoch bekantlich oder nit, sitemahlen man
zu Ehren der Intervedenten die verschrieben Vergicht durch ihne
Maleficanten, unterschiben laßen wölle, damit man ihne nit
offentlich auff- & abfüehren müße, alß dann wölle man den Pro-
cess fortgehen laßen.
Hierauff sindt volg. Richter zue ihme, Malefivanten gesandt w.
Amman Gegenschaz, Amman Mesmer, Amman Walter, Amman Bentz,
Amman Metzler, Hoffschr. Thierawer, Amman Itensohn & ich Rathschreiber.
Alß nun bemelte Bekanntnuß verlesen, ist er befragt w.,
ob er selbiger zichtig, bekant & anred seÿe.
Hierauff er bekennt, daß er gemelter s. Bekanntn. gestendig
& anred seÿe, darauf selbiges wahr zue seÿe, mit eigener Hand
underschriben & s. Petschaft darunder getruckt & gemelten
Richtern zugestelt, darbeÿ gebethen, ihme gnad umb Gottes Willen
mitzutheilen.
Hierüber ist d. Gericht verbannt & dem Weibel alß der
Oberkeit Cläger wie nit weniger Diepolt Kolben Forstern
alß Anwald des armen Sünders jedem ein Fürsprecher &
jedem zwen Räth mit Urtheil & Recht erkannt w.
Und auff einkommen Clag, Antwort & allem gerichtl. Für=
bringen nach ist hiemit durch d. Urtelssprecher d. peinl. Gerichts
zum Recht erkennt & gesprochen, daß d. gefangene arme Mann
s. vilfalt. begangen. Ehebrechen & and. verüebten Mißthaten
halber den Nachrichter alsobald an d. Hand solle gegeben
w. welcher ihn an d. gewohnl. Richtstatt füehren, alda mit
d. Schwerdt vom Leben z. Todt richten solle & s. Leib durch d.
Nachrichter under d. Hochgricht vergraben e. & all s. Hab & Guet
der hochen Oberkeit zuerkennt s. solle, ihme selbst zue wohlverdienter
10.
Straff & anderen zue e. abscheul. Exampel. Wo einer oder
d. ander were, welcher sich des Maleficanten annemmen oder
dise Urtel beÿ denjenigen, so darbeÿ zu thun & zu schaffen
gehabt, rechen wolte, solle mit gl. Urthel gestrafft w.
Diser ausgefallenen Urteil begert der H. Oberkeit
Fürspr. Brief & Sigel, welche ihme durch d. Statth., Stattam.
Joß Gegenschatz besigket solle zugestelt w., erkennt worden.
Als nun dise Urthel dem obbemelt. Intervedenten
geöffnet, sind selbige widerumb von d. Oberkeit & ganzen Ma=
lefizgericht erschinen & einstendig umb Gnad & Milterung d.
Urthel gebetten, mit Aberbieten, möglichst auff alle Begebenh.
widerumben zue beschulden.
Worauff H. Landvogt & Jkr Vogt auf Blatten ihnen aber-
mahl zue Ehren versprochen, heutigen Tags mit d. Excu=
tion einzuhalten & sich beratschlagen, was möglich, dise Urtheil
umb etwas zu miltern & ihnen morgens umb 8 Uhren ihre
Erklärung zu eröffnen.
Volgend Tag den 9 Febr. erscheint bemelte Freunschafft
vor HH. Landv., Vogten auf Blatten & anwes. beeden HH.
Landtamm. der Inner- & auß Roden d. Lds Appenzell & bitten
abermahl, wo möglich dem armen Menschen d. Laben zu
schenken. Hierauff ihnen Bescheid ertheilt w., daß es nit mög=
lich, dem arm. Malef. d. Leben z. fristen; jedoch wölle man
auf Mittel gedenken, dasß gemelter a. Sünder nächtlicher
Weilen hingericht & s. Leib auf d. Kirchhof möchte vergraben w.
Den 11ten Febr. 1655 ist dise Urtheil der vorgeschribenen
Gnadgemeß exequiert & d. arme Sünder mit d. Schwert
hingericht & d. Leib in d. Kirchhof begraben worden. Gott
wolle der armen Seel gnedig seÿn! -
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