Bericht von Pfarrer Josef Breu zu den Jahren 1813-1818

Nachdem der französische Krieg seit 25 Jahren ganz Europa blutig verfolgte, fand er endlich 1815 sein Ende. Im Frohgenuss desselben schien aber der erzürnte Himmel nur seine Geissel zu wechseln. Ein Fehljahr nach dem andern trat ein. ln den Jahren 1813 bis und mit 1816 regnete es unausgesetzt im Sommer. Wenige heitere Tage hellten den trüben Himmel auf.

Aus dieser Ursache litt der Trauben- und Türkenstock. Der Erdaptel war noch das einzige ergiebige Nahrungsmittel. Die vorgegangenen Pfarrer sammelten, wie mein Vorgänger Franz Meglinger selbst bezeugte, als sie die Pfrundreben noch besassen, bei 100 Eimer Wein. Jetzt dürften die Käufer der Pfrundgüter kaum den Torkel treiben.

Unter diesen Jahren zeichnete sich das Jahr 1816 an Elendigkeit aus. Durch den unaufhörlichen Regenanhalt schoss die Traube langsam hervor, blühte erst um Jakobi, und am Gallustag war sie noch an Beeren sehr klein und steinhart; auch der Mais stand an Kernen leer da, welche beide noch durch einen frühen Reiffrost vollends verbrannt wurden. An mehreren Orten traten Fluss und Bäche aus den Ufern und versengten die Erdäpfel völlig. Deswegen galt schon im Herbst der Zentner 3 Gulden und das Malter Korn 30 Gulden und darüber.

Im Frühjahr 1817, das man mit grosser Bangigkeit erwartete, stieg der Preis aller Waaren und Lebensmittel in unerhörten Wert. So galt im Mai das Malter Korn 100, der Zentner Kartoffeln 10 und 11 Gulden, der Laib Brot 1 Gulden 50 Kreuzer, späterhin 1 Gulden und 52 Krz., Schmalz 35 Krz. und das Pfund Rindfleisch 14 Krz. (Das Vieh hatte keine Nahrung und musste deshalb abgetan werden, daher der niedere Fleischpreis.)

Dass der Wein völlig missriet und fast keiner mehr zu bekommen, dieser aber sehr geistlos war und folglich keinen Wert hatte, ist selbstverständlich. Diese jämmerliche Teuerung versetzte die Menschen in unerhörtes Elend. Die Leute lasen Knochen auf den Strassen auf und schabten sie ab, suchten auf den Düngerhaufen die Abfälle von Obst und Gemüse, um sie zu verzehren; sie kochten Gras und assen es. Der Hungertod war bei der ärmern Klasse auf der Tagesliste. Obgleich an mehreren Orten wohltätige Anstalten errichtet wurden, sokonnten sie dem Uebel nicht vorbeugen. In etlichen Dörfern starben sehr viele am Hunger, in Altstätten z.B. zirka 255. Dem Himmel sei's aber gedankt, in unserer Pfarrei [Widnau] zählte man kein einziges am Hunger gestorbenes Pfarrkind!

Der Sommer 1817 war zwar etwas leidentlich an der Witterung, indessen aber gleichwohl sehr fehlbar. Das Wasser schwoll an und machte Ausbrüche; folglich verheerte es, was noch so ziemlich geraten. Im untern Rheintal drückte die See herauf bis ober die Au schon im Frühling. Der Rhein war im Sommer immer allen Porten oben und brach in der Nacht vom 27. auf den 28. August an mehreren Orten gewaltsam aus. Seit 1762, will man behaupten, sei er nie mehr so hoch gestiegen. In der Gegend Eichenwies lief er meistens über den Damm. Auf dem Kreuzdamm unter Montlingen riss er ein und verursachte grosse Gewässer. In Diepoldsau durchbrach er an drei Orten den Damm und zog durch die schönsten Felder Widnau zu. Unbeschreiblicher Jammer herrschte überall. Alles unter Wasser bis in die Seel.

Was aber das Elend noch mehr erhöhte, war das Nervenfieber, so in diesem Jahre allgemein einriss - eine Folge des überstandenen Hungers. Es war epidemisch und fast Jeder, der davon befallen wurde, unterlag demselben. Am meisten wütete es in Altstätten, hauptsächlich aber im Kanton Appenzell.

Am 20.Juni dieses Jahres, Abends 4 Uhr, wollten 20 vorarlbergische Leute, vom Markte in Altstättenheimkehrend, beim Montlinger Fahr über den Rhein. Das vollgepfropfte Schiffchen verlor das Gleichgewicht und kippte um. 13 Personen ertranken und die übrigen 7 konnten mit vieler Mühe gerettet werden.

Das Jahr 1818 war aber eines der erquickendsten und segensreichsten. Es kontrastierte mit den oben beschriebenen fast unglaublich. Vom Frühling an bis in den tiefsten Herbst genossen wir lauter der lieblichsten Tage. Alles gerät wieder bis zum Erstaunen. Dieses gedeihlichen Jahres zufolge galt der Laib Brot von bester Sorte 21 Kreuzer, der Zentner Erdäpfel 12 bis 13 Batzen, die ab dem Eisenriet kaum 30 Krz auf dem Markt in Altstätten. Ein Wein wuchs der besten Art. Weissen kaufte man um 5 fl. den Eimer, die Maass also um 9 Kreuzer und 3 Soldi. Die Maass roten um 17 Krz. (Wird's da Spitz und Stüber abgesetzt haben !) Butter und Fleisch blieb bereits beim alten Preis. Die Ursache davon mag der vorig erzählte Mangel oder Teuerung gewesen sein; denn das Vieh war bereits zum Teil geschlachtet, zum Teil aus dem Lande nach Italien verkauft.

Quelle: Geschichte der altehrwürdigen Pfarrei Montlingen [AO1910], p. 21ff.

 

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Erstellt durch Daniel Stieger (letzte Nachführung am 18. Oktober 2014)